Annica Hansen, langjährige Moderatorin des CHIO Aachen, hat kurz vor Ostern ihren Rückzug vom weltweit größten Reitturnier erklärt. Der Grund: Sie sieht das Wohl der Pferde nicht ausreichend im Fokus der Veranstalter. Die Entscheidung der bekannten TV-Persönlichkeit sorgt für Diskussionen im internationalen Reitsport. Hansen moderierte elf Jahre lang in der Aachener Soers vor bis zu 40.000 Zuschauern. Ihr Rücktritt wirft ein Schlaglicht auf strukturelle Probleme im Pferdesport – und zeigt, wie schwerfällig Veränderungen in dieser traditionsreichen Szene verlaufen.
Annica Hansens Rückzug: Ein Statement mit Wirkung
Annica Hansen erklärte ihre Entscheidung in einem Beitrag auf Instagram. Dort betonte sie, dass sie „ihre Werte leben“ wolle. Für sie sei es wichtig, mit gutem Gewissen in den Spiegel blicken zu können. Ihre Worte stießen schnell auf Zustimmung – besonders bei Tierschutzorganisationen und kritischen Stimmen aus dem Reitsport.
Hansen ist nicht nur Moderatorin, sondern auch selbst Reiterin. Ihre Kritik kommt also von jemandem, der die Szene kennt. Sie wirft dem CHIO und dem internationalen Reitsport vor, dass ethische Fragen zu oft hinter sportlichen und wirtschaftlichen Interessen zurückstehen.
Kritik am System Reitsport
Seit Jahren wird der Pferdesport von Tierschützern kritisch begleitet. Vorwürfe wie der Einsatz von Schmerzmitteln, unethisches Training oder das sogenannte „Rollkur“-Reiten belasten das Image vieler Wettbewerbe.
Besonders die Spring- und Dressurdisziplinen stehen unter Druck. Fälle wie das vom Team Dänemark bei der Weltmeisterschaft 2022, das nachträglich disqualifiziert wurde, zeigen, dass Regelverstöße kein Einzelfall sind. Dennoch fehlt oft der politische oder institutionelle Wille, strukturelle Reformen umzusetzen.
Warum tut sich so wenig?
Der Reitsport ist stark von Traditionen geprägt. Viele Verbände sind international vernetzt und arbeiten langsam. Veränderungen dauern oft Jahre – nicht zuletzt wegen wirtschaftlicher Interessen. Große Turniere wie der CHIO Aachen sind auf Sponsoren, hohe Zuschauerzahlen und das Wohlwollen der internationalen Reiterelite angewiesen.
Zudem fehlt es laut Experten an unabhängiger Kontrolle. Veterinärteams arbeiten meist turnierintern und unterliegen dem Druck, Wettbewerbe nicht zu gefährden. Eine stärkere Einbindung externer Tierschutzexperten könnte hier für mehr Transparenz sorgen.
Stimmen aus der Szene
Die ehemalige Vielseitigkeitsreiterin und Tierschutzaktivistin Ingrid Klimke sagte in einem Interview mit Frankfurter Handelsblatt, dass die Branche mehr Selbstreflexion brauche: „Pferdesport muss sich immer daran messen lassen, ob das Pferd als Partner gesehen wird – nicht als Sportgerät.“
Auch der Deutsche Tierschutzbund äußerte sich positiv zu Hansens Entscheidung. Sprecherin Nadine Kramer erklärte: „Es ist ein wichtiges Signal, wenn prominente Persönlichkeiten Missstände offen ansprechen. Das kann Veränderung anstoßen.“
Erste Reaktionen und mögliche Folgen
Der CHIO Aachen selbst reagierte bisher zurückhaltend auf Hansens Kritik. In einer kurzen Pressemitteilung bedankte sich das Organisationsteam für die langjährige Zusammenarbeit und betonte, dass das Wohl der Pferde „oberste Priorität“ habe.
Doch Hansens Rückzug könnte eine breitere Debatte anstoßen. Bereits jetzt fordern viele Akteure im Reitsport mehr ethische Standards, transparentere Tierarztkontrollen und härtere Sanktionen bei Regelverstößen.
Auch der Weltreiterverband FEI steht in der Verantwortung. Er hatte zwar in den letzten Jahren neue Richtlinien veröffentlicht, deren Umsetzung aber in vielen Ländern mangelhaft kontrolliert wird.
Annica Hansens Entscheidung markiert einen möglichen Wendepunkt. Ihr Rückzug vom CHIO Aachen macht deutlich, dass das Wohl der Tiere nicht länger ein Randthema sein darf. Die Kritik betrifft nicht nur einzelne Turniere, sondern das System als Ganzes.