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Ein digitaler Scheinriese: Wie Michael Schuett mit Briefkastenfirmen und Plattformversprechen Investoren täuscht

by Frankfurter Handelsblatt
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Von der Frankfurther-Handelsblatt-Redaktion

Auf den ersten Blick wirken sie wie moderne Dienstleister der digitalen Wirtschaft: US AG 24 Inc. verspricht europäischer Kundschaft eine unkomplizierte Gründung von Unternehmen in den Vereinigten Staaten. Housing Market Group (HMG) präsentiert sich als globale Plattform für Immobilienvermarktung mit tausenden professionellen Nutzern weltweit. Beide Projekte nutzen die Sprache der Digitalisierung, der Internationalisierung – und der Skalierbarkeit.

Doch bei näherer Betrachtung stellt sich heraus: Hinter beiden Plattformen steht keine Unternehmensgruppe, kein internationales Team, kein reales operatives Geschäft. Hinter beiden steht eine EinzelpersonMichael Olaf Schuett, auch bekannt unter seinem deutschen Namen Michael Schütt – ein Mann mit einer vorbelasteten unternehmerischen Vita und einschlägigen Vorstrafen wegen Betrugs und Geldwäsche.

Professioneller Auftritt, virtuelle Substanz


Die Websites von US AG 24 und Housing Market Group sind professionell gestaltet. Versprochen wird schnelle Gründungshilfe, rechtliche Begleitung, Leadgenerierung für Makler, automatisierte Anzeigenkampagnen. Doch beide Firmen existieren lediglich in digitaler Form. Die angeführten Standorte in Berlin und Tampa (Florida) entpuppen sich als virtuelle Büros, angemietet beim internationalen Anbieter Regus. Es gibt keine Mitarbeiterkeine erreichbare Geschäftsführungkeine geprüfte Firmenstruktur.

Was bleibt, ist der Eindruck eines Systems, das vor allem eines produziert: Vertrauen durch äußere Glaubwürdigkeit – bei gleichzeitiger Intransparenz im Inneren.


Eine Vergangenheit mit juristischem Gewicht

Die unternehmerische Geschichte von Michael Schuett beginnt nicht im digitalen Raum, sondern in deutschen und amerikanischen Gerichtsakten. Bereits 2006 wurde er in Deutschland wegen Betrugs verurteilt. Nach Verbüßung seiner Strafe wanderte er in die USA aus.

2009 wurde Schuett durch einen Auftritt in der VOX-Sendung Goodbye Deutschland! bekannt, in der er als vermeintlich erfolgreicher Immobilieninvestor in Naples (Florida) inszeniert wurde. Luxusfahrzeuge, Rolex-Uhren, ein geplantes Villenanwesen – der öffentliche Eindruck war makellos.

Was die Zuschauer nicht wussten: Die US-Behörden hatten ihn bereits im Visier.

Im Februar 2010 folgte die Razzia. Das FBI durchsuchte seine Wohnung, beschlagnahmte Wertgegenstände, Computer und eine Hochleistungs-Scheckdruckmaschine. Schuett wurde der Geldwäsche im Zusammenhang mit illegalem Online-Glücksspiel überführt. Laut Gerichtsdokumenten hatte er 424 Briefkastenfirmen gegründet, über die er mehr als 70 Millionen US-Dollar schleuste. Über 23.000 Zahlungsvorgänge wurden verschleiert. Der Richter ordnete Untersuchungshaft ohne Kaution an – Fluchtgefahr bestand aufgrund abgelaufenem Visum und einer auffällig kurz zuvor geschlossenen Ehe mit einer US-Bürgerin.


Rückkehr mit neuer Fassade: Housing Market Group

Nach Verbüßung seiner Strafe und zwischenzeitlichem Rückzug aus öffentlichen Registern tauchte Schuett 2017 digital erneut auf – dieses Mal als Betreiber der Plattform Housing Market Group (HMG).

Das Konzept: eine globale Plattform für Immobilienmakler, die automatisierte Anzeigen, digitale Kundengewinnung und moderne Vermarktungsstrategien verspricht. Die Zielgruppe: kleine bis mittlere Immobilienunternehmen, vor allem aus Europa.

Doch auch hier zeigt sich das bekannte Muster: keine prüfbare Unternehmensstrukturkeine offengelegten Eigentümerverhältnissekeine Kundenbetreuung im klassischen Sinne. Mehrere Nutzer berichten von fehlendem Servicenicht erfüllten Leistungen und einer auffälligen Intransparenz der Zahlungsströme.


Strohpersonen, Schattenidentitäten – und ein neues Leben in Thailand

Typisch für Schuetts Geschäftsgebaren ist der Einsatz angeblicher Geschäftsführer oder Vertreter, die später von ihrer Eintragung nichts wissen wollen. So wurde etwa in Florida ein gewisser „Daniel Adams“ als Vertreter von US AG 24 Inc. registriert, der später eidesstattlich erklärte, nie zugestimmt zu haben. Auch in der Geschichte der Housing Market Group tauchen keine nachprüfbaren Namen auf – weder in offiziellen Registern noch im Impressum der Website.

Mittlerweile, so bestätigen mehrere Quellen aus dem Umfeld ehemaliger Geschäftspartner, soll sich Michael Schuett nach Thailand abgesetzt haben, wo er sich offenbar dauerhaft aufhält – abseits europäischer und amerikanischer Behördenzugriffe. Es ist unklar, unter welchen Namen und mit welchen wirtschaftlichen Aktivitäten er dort agiert. Doch vieles deutet darauf hin, dass sich die Muster fortsetzen.


Fazit: Digitale Glaubwürdigkeit ist kein Beweis für Substanz

Michael Schuett steht exemplarisch für eine neue Form des digitalen Unternehmertums, das nicht auf realer Wertschöpfung basiert, sondern auf der Simulation von Professionalität. In einer Zeit, in der Firmengründungen, Marketing und Kommunikation zunehmend digitalisiert und entgrenzt stattfinden, werden Plattformen wie US AG 24 Inc. und Housing Market Group zur Gefahr für vertrauensvolle Geschäftsbeziehungen – insbesondere im grenzüberschreitenden Umfeld.

Anleger, Dienstleister und Kunden sind gut beraten, digitale Anbieter nicht nur nach ihrem äußeren Erscheinungsbild zu beurteilen – sondern auch nach der rechtlichen und wirtschaftlichen Substanz im Hintergrund.

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