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Immer mehr Tennisprofis sprechen offen über mentale Belastungen

by Ryan Maxwell
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Immer mehr Tennisprofis sprechen offen über mentale Belastungen

Amanda Anisimova, einst als Tennis-Wunderkind gefeiert, zieht sich nach mentalen Problemen aus dem Profisport zurück. Sie ist nicht die Einzige – viele Spielerinnen und Spieler berichten von psychischer Erschöpfung, sozialem Druck und dem Gefühl, im Hamsterrad gefangen zu sein.

Vor sechs Jahren schrieb Amanda Anisimova Tennisgeschichte. Bei den French Open 2019 bezwang sie als 17-Jährige die Titelverteidigerin Simona Halep und erreichte das Halbfinale. Die junge US-Amerikanerin galt als eine der größten Hoffnungen im Damentennis. Doch was als sportlicher Traum begann, wurde bald zur schweren Belastung. Wenige Monate nach dem Pariser Erfolg verstarb ihr Vater und Trainer an einem Herzinfarkt. Anisimova verlor ihren wichtigsten Unterstützer – und bald auch die Freude am Spiel.

Heute spricht sie offen über ihren Zustand. Sie sei ausgebrannt gewesen, emotional erschöpft, wie sie in Interviews schildert. „Ich konnte nicht mehr. Ich fühlte mich leer“, sagte sie rückblickend. Ihr Rückzug vom Profi-Tennis war notwendig, um ihre mentale Gesundheit zu schützen.

Anisimova ist kein Einzelfall. Immer mehr Tennisprofis sprechen über ihre psychischen Herausforderungen. Casper Ruud, aktuell Nummer acht der Welt, erklärte vor wenigen Wochen in Madrid, dass er sich professionelle Hilfe geholt habe. „Ich habe mich mental nicht gut gefühlt“, so der Norweger. Auch der Russe Andrej Rubljow berichtete von Depressionen und einer Therapie, die ihm geholfen habe, wieder Stabilität zu finden.

Stefanos Tsitsipas, einst Nummer drei der Welt, sieht sich ebenfalls in einer schweren Phase. Der Grieche sagte: „Ich bin kein Arzt, aber es fühlt sich wie ein langfristiges Burnout an.“ Caroline Garcia, frühere Nummer vier der Welt, sprach zuletzt über Panikattacken und Angstzustände. Auch sie nahm eine längere Auszeit – und kündigte inzwischen mit 31 Jahren ihr Karriereende an.

Tennis ist eine Einzelsportart mit intensiven Anforderungen. Die Spielerinnen und Spieler sind oft monatelang unterwegs, wechseln ständig die Orte, leben aus Koffern. Siege bringen kurzfristige Euphorie, doch Niederlagen sind die Regel – jede Woche endet für fast alle mit dem Ausscheiden. Hinzu kommen der Erwartungsdruck, die körperliche Belastung und die ständige Bewertung durch Fans und Medien.

Amanda Anisimova bringt es auf den Punkt: „Was viele nicht sehen, ist, wie überwältigend das alles sein kann.“ Ihre Aussagen spiegeln das wider, was viele in der Szene fühlen. Die Isolation, die ständige Konkurrenz, die Angst vor Fehlern – all das nagt an der Psyche.

Dazu kommen die sozialen Medien. Nach Niederlagen sehen sich viele Profis mit Hassnachrichten konfrontiert. Alexander Zverev sagt: „Es gibt viel Hass. Wir bekommen das direkt zu spüren.“ Die erst 17-jährige Mirra Andrejewa veröffentlichte kürzlich einen Screenshot mit Beschimpfungen, die sie nach einer Niederlage erhalten hatte. Ihr einziges „Vergehen“: Sie hatte zuvor 13 Matches in Folge gewonnen und dann eines verloren.

Der Druck im Tennis ist enorm. Anders als in Teamsportarten gibt es keine Auswechselbank, keine geteilte Verantwortung. Alles liegt auf den Schultern der einzelnen Spielerin oder des Spielers. „Es fühlt sich an wie ein Hamsterrad, das nie aufhört, sich zu drehen“, sagt Casper Ruud. „Man hat das Gefühl, nie irgendwo anzukommen.“

Auch bei den French Open 2025 ist dieser Druck spürbar. Ruud, der hier bereits zweimal im Finale stand, ist diesmal früh ausgeschieden. Caroline Garcia verabschiedete sich mit einer Erstrunden-Niederlage aus Paris – ihr letztes Spiel auf heimischem Boden. Und Anisimova? Sie ist zurück im Training, aber offen, wie es weitergeht. Für sie steht im Vordergrund: „Ich will wieder Freude empfinden, egal ob mit oder ohne Tennis.“

Die Debatte über mentale Gesundheit im Profisport ist längst überfällig. Immer mehr Stimmen fordern, dass psychisches Wohlbefinden genauso wichtig ist wie körperliche Fitness. Turnierveranstalter, Verbände und Sponsoren stehen in der Verantwortung, hier bessere Rahmenbedingungen zu schaffen.

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