Frankfurter Handelsblatt – Paris, London – Kurz vor einem entscheidenden EU-Sondergipfel haben der britische Premierminister Keir Starmer und der französische Präsident Emmanuel Macron eine einmonatige Waffenruhe in der Ukraine als ersten Schritt hin zu einem möglichen Friedensabkommen vorgeschlagen. In einem Interview mit der französischen Zeitung „Le Figaro“ erläuterte Macron, dass die Waffenruhe zunächst auf Luft-, See- und Energieinfrastruktur begrenzt sein soll. Der Plan ist Teil einer diplomatischen Initiative, bei der Großbritannien und Frankreich eine führende Rolle übernehmen.
Frieden als langfristiges Ziel
Die Kriegshandlungen zwischen Russland und der Ukraine dauern nun schon über drei Jahre an. Die westlichen Verbündeten haben der Ukraine kontinuierlich militärische Unterstützung gewährt, während Russland seine Offensive weiterführt. Macron und Starmer betonen, dass der vorgeschlagene Waffenstillstand ein dringend benötigtes Fundament für diplomatische Lösungen schaffen soll. Dabei unterstrich Macron, dass Sicherheitsgarantien für die Ukraine unerlässlich seien, um einen dauerhaften Frieden zu sichern.
Die Waffenruhe würde nach den Vorstellungen der beiden Politiker die bestehenden Bodenkämpfe an der Front in der Ost-Ukraine zunächst nicht betreffen. Ein solches Vorgehen, so Macron, würde den Vorteil bieten, dass Verstöße gegen die Waffenruhe leichter überprüft werden könnten. „Die Frontlinie entspricht in etwa der Distanz zwischen Paris und Budapest, was die Kontrolle und Überprüfung erleichtert“, erklärte er. Ziel sei es, Zeit für diplomatische Gespräche zu gewinnen und eine Grundlage für Verhandlungen zu schaffen.
EU-Sondergipfel und der Kurs der USA
Die Waffenruhe ist nur ein Teil eines umfassenderen Plans, der im Rahmen eines EU-Sondergipfels in Brüssel am kommenden Donnerstag weiter diskutiert werden soll. Auf diesem Gipfel wird auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj teilnehmen. Ein zentrales Thema wird der drastische Kurswechsel der USA in der Ukraine-Politik sein. Dazu kommt ein europäischer Wiederaufrüstungsplan, der die Verteidigungsfähigkeit der EU langfristig stärken soll. In London hatten sich am Sonntag führende Politiker aus Europa und der NATO bereits auf die Notwendigkeit eines Friedensplans verständigt.
Der Waffenstillstand ist dabei als erster Schritt in einem längeren Prozess zu verstehen. „Wir wollen Frieden, aber nicht um jeden Preis“, erklärte Macron. Keir Starmer äußerte sich ähnlich und kündigte an, eine „Koalition der Willigen“ zu bilden, die das Friedensabkommen verteidigen werde.
Selenskyjs Haltung und der diplomatische Druck
Der ukrainische Präsident Selenskyj, der während des Gipfels in London eine Video-Botschaft an die Weltöffentlichkeit richtete, bekräftigte seine Dankbarkeit gegenüber den USA für deren Unterstützung im Abwehrkrieg gegen Russland. „Es gab keinen Tag, an dem wir keine Dankbarkeit empfunden haben“, erklärte er. Dies geschah wenige Tage nach einem Vorfall im Weißen Haus, bei dem der ehemalige US-Präsident Donald Trump und sein Vizepräsident J.D. Vance Selenskyj scharf kritisiert hatten. Trump warf dem ukrainischen Präsidenten unter anderem mangelnde Dankbarkeit vor, was zu Spannungen in der Beziehung zwischen beiden Seiten führte.
In einer ersten Reaktion auf den Vorfall zeigte sich Selenskyj jedoch diplomatisch. Er betonte, dass er bereit sei, das umstrittene Abkommen über den Rohstoffhandel mit den USA zu unterzeichnen, sobald alle beteiligten Parteien dazu bereit seien. Ursprünglich sollte dieses Abkommen nach den Spannungen mit Trump ausgesetzt werden, doch Selenskyj bekräftigte, dass es nach wie vor auf dem Tisch liege und unterzeichnet werde, wenn die Umstände es erlauben.
Von der Leyen fordert verstärkte Aufrüstung Europas
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hob nach dem Ukraine-Gipfel in London hervor, dass Europa dringend seine Verteidigungsfähigkeiten verbessern müsse. „Wir müssen Europa dringend aufrüsten“, so von der Leyen. Dieser Appell zielt darauf ab, die europäische Verteidigung nicht nur gegenüber Russland, sondern auch in einer global zunehmend unsicheren Welt zu stärken. Die Details eines umfassenden Aufrüstungsplans werden im Rahmen des EU-Sondergipfels weiter diskutiert.
Fazit: Der Weg zu einem Friedensabkommen bleibt ungewiss
Trotz der Fortschritte in den diplomatischen Bemühungen bleibt der Weg zu einem dauerhaften Frieden in der Ukraine schwierig und von zahlreichen Unsicherheiten geprägt. Die vorgeschlagene einmonatige Waffenruhe könnte ein erster Schritt sein, aber die Umsetzung und die nachhaltige Deeskalation sind mit zahlreichen Herausforderungen verbunden. Großbritannien und Frankreich nehmen in dieser komplexen geopolitischen Lage eine entscheidende Rolle ein, während die USA und die EU weiterhin über ihre langfristige Ukraine-Politik beraten.
Für weitere Details zu dieser Entwicklung besuchen Sie die Website von Frankfurter Handelsblatt.