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Mehr Auszubildende gewinnen: Wie Unternehmen junge Menschen wieder für die Lehre begeistern

by Thomas Schulz
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Mehr Auszubildende gewinnen: Wie Unternehmen junge Menschen wieder für die Lehre begeistern

Die Zahl der neuen Auszubildenden in Deutschland ist weiter rückläufig – ein Trend, der die Industrie stark belastet. Laut dem Bundesinstitut für Berufsbildung gab es im Jahr 2024 nur rund 487.000 neue Ausbildungsverträge. Fast 70.000 Stellen blieben unbesetzt. Gleichzeitig fanden über 70.000 junge Menschen keinen Ausbildungsplatz. Doch neue Initiativen zeigen: Frühzeitiger Kontakt zwischen Schulen und Betrieben kann helfen, junge Menschen wieder für eine Ausbildung zu gewinnen.

Warum fehlen so viele Auszubildende?

Immer mehr Jugendliche entscheiden sich gegen eine Ausbildung – oder sie finden keinen passenden Platz. Ein Problem, das viele Ursachen hat. Oft passen Wünsche und Angebote nicht zusammen. Manche Bewerber und Betriebe leben in verschiedenen Regionen. Zudem fehlt es in vielen Schulen an guter Berufsorientierung. Das kritisieren unter anderem der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und Vertreter des Handwerks.

Laut Experten landen jedes Jahr bis zu 250.000 Schulabgänger im sogenannten Übergangsbereich. Dort warten sie auf eine passende Ausbildung, machen eine Vorqualifizierung oder überbrücken mit Nebenjobs die Zeit.

Immer mehr junge Menschen ohne Berufsabschluss

Ein weiteres Problem: Rund 2,9 Millionen Menschen zwischen 20 und 34 Jahren hatten 2022 keinen Berufsabschluss. Neuere Zahlen liegen derzeit nicht vor. Diese Entwicklung verstärkt den Fachkräftemangel in vielen Branchen und schwächt die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands.

Ein Projekt aus Thüringen macht Hoffnung

Ein erfolgreiches Beispiel für bessere Berufsorientierung kommt aus Nordthüringen. Dort läuft das Projekt „Tag in der Praxis“. Schülerinnen und Schüler besuchen im zweiten Halbjahr der achten und im ersten Halbjahr der neunten Klasse einmal pro Woche einen Betrieb. So lernen sie innerhalb eines Jahres vier verschiedene Berufsfelder kennen.

Laut Karsten Froböse von der Agentur für Arbeit Thüringen-Nord machen inzwischen 60 Prozent aller Schulen der Region mit. Über 900 Betriebe nehmen teil. Das Projekt hilft jungen Menschen, ihre Interessen besser zu erkennen – und stärkt das Vertrauen in die Berufsausbildung.

Früh übt sich: Praktika mit Wirkung

Besonders erfolgreich sind verpflichtende und regelmäßige Praktika. Viele Jugendliche wissen nach der Corona-Zeit nicht mehr, welcher Beruf zu ihnen passt. Sie fühlen sich unsicher. Durch echte Erfahrungen im Betrieb lernen sie, was wirklich zählt – und wie Schulwissen im Alltag hilft.

Froböse berichtet: „Sie merken plötzlich, dass Mathe im Betrieb wichtig ist.“ Auch die Eltern unterstützen das Projekt. In Ostdeutschland erinnert es viele an den früheren „Unterrichtstag in der Produktion“ aus DDR-Zeiten.

Betriebe müssen überzeugt werden – aber es lohnt sich

Am Anfang war es schwierig, ausreichend Unternehmen für das Projekt zu gewinnen. „Wir mussten viel Werbung machen“, sagt Froböse. Doch inzwischen überzeugt das Projekt mit messbarem Erfolg: Schüler finden passende Berufe – und Betriebe entdecken motivierte Azubis.

Praktische Erfahrung statt Social Media

Viele Ausbildungen werden frühzeitig abgebrochen – bundesweit ist es rund ein Viertel. Projekte wie in Nordthüringen können helfen, diese Quote zu senken. Denn sie zeigen Jugendlichen schon früh, was sie erwartet.

Eine Schülerin etwa dachte, sie wolle in die Pflege. Doch nach mehreren Praktika erkannte sie: „Physiotherapie ist genau mein Ding.“ Ein anderer Schüler lernte vier Betriebe kennen – und entschied sich bewusst für den mit dem besten Arbeitsklima.

Was junge Leute wirklich interessiert

Laut einer Umfrage des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) mit 6.000 Schülerinnen und Schülern, interessieren sich viele Jugendliche eher für reale Erfahrungen als für Info-Veranstaltungen oder Social Media. Betriebsbesuche, Praktika und Ferienjobs schneiden am besten ab. Online-Tests oder TikTok-Videos spielen hingegen kaum eine Rolle.

„Das Authentische ist den Jugendlichen am wichtigsten“, erklärt IAB-Direktor Bernd Fitzenberger.

Früher Kontakt bringt mehr Erfolg

Wenn junge Menschen früh praktische Einblicke erhalten, steigen die Chancen, dass sie sich für eine Ausbildung entscheiden – und dabei bleiben. Initiativen wie in Nordthüringen zeigen, wie das gelingen kann: durch persönliche Erlebnisse, einfache Orientierung und starke Partnerschaften zwischen Schule und Betrieb.

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