Die traditionsreiche Kita „Rote Eule“ in Frankfurt, eine der ältesten Einrichtungen der Stadt, wird nach fast 60 Jahren geschlossen. Die Entscheidung, die den Verlust eines wichtigen Teils der Stadtgeschichte markiert, betrifft vor allem Familien, die ihre Kinder über Generationen hinweg dort betreut haben. Trotz eines engagierten Widerstands von Eltern und Ehemaligen wird die Einrichtung im Sommer ihre Türen schließen. Der Grund: Dringende Sanierungsbedürftigkeit und fehlende Einigung über die Finanzierung der Renovierung.
Herkunft und Bedeutung der „Roten Eule“
Die „Rote Eule“ wurde 1969 gegründet und gehörte zu den ersten selbstverwalteten Kinderläden in Frankfurt. Geprägt von der antiautoritären Erziehung, war die Einrichtung ein Vorreiter in der alternativen Pädagogik. Über die Jahre hinweg haben Tausende von Kindern in dem alten, aber liebgewonnenen Gebäude ihre ersten Bildungserfahrungen gemacht. Die Schließung trifft nicht nur die direkt betroffenen Familien, sondern auch ehemalige Erzieher und Eltern, die eine besondere Bindung zu der Kita haben.
Sanierungsbedarf und das Aus für die „Rote Eule“
Das Gebäude, in dem die „Rote Eule“ untergebracht ist, ist mittlerweile in einem desolaten Zustand. Laut den zuständigen Behörden wurde das Gebäude in mehreren Prüfungen als sanierungsbedürftig eingestuft. Die Kostenschätzungen für eine vollständige Renovierung belaufen sich auf 300.000 bis 500.000 Euro. Leider konnte keine Einigung zwischen der Stadt und dem Träger, dem BVZ, über die Finanzierung der notwendigen Maßnahmen erzielt werden, was zur Kündigung des Mietvertrags und der Schließung führte. „Wir mussten die Reißleine ziehen“, erklärte Christina Brauner, Regionalleiterin beim BVZ, in einer Stellungnahme.
Proteste und Onlinepetition
Der Schließungsbeschluss stößt bei vielen Eltern und Ehemaligen auf starken Widerstand. Eine Onlinepetition gegen die Schließung wurde bereits von mehr als 1300 Unterstützern unterzeichnet. Für viele ist die „Rote Eule“ mehr als nur eine Kita – sie ist ein Stück Frankfurter Stadtgeschichte. Die ersten Eltern, die die Einrichtung vor Jahrzehnten gründeten, hatten einen hohen Idealsatz. Sie wollten eine Erziehung fernab von autoritären Strukturen. Ein zentraler Bestandteil des Konzepts war die Mitbestimmung der Eltern und eine hohe Freiheit in der Gestaltung des pädagogischen Alltags.
Die Idee der antiautoritären Erziehung
„Die Frauen wollten nicht am Herd bleiben“ – so erklärt Ulrike Zimmermann, eine ehemalige Betreuerin der „Roten Eule“, die Motivation hinter der Erziehungsphilosophie. In einer Zeit, in der autoritäre Erziehung noch weit verbreitet war, suchten die Gründer der „Roten Eule“ nach einem neuen, offenen Ansatz. Sie wollten den Kindern nicht nur Wissen vermitteln, sondern ihnen auch den Raum für eigene Entfaltung und Kreativität geben. Diese Haltung prägte nicht nur die Kinder, sondern auch die Pädagogen und Eltern, die das Projekt unterstützten.
Erinnerungen an die Anfänge der „Roten Eule“
Ehemalige Bezugspersonen erinnern sich an eine Zeit des Aufbruchs und der politischen Überzeugung. Judith Streiter, die von 1970 bis 2015 im „Roten Eule“ tätig war, beschreibt die Atmosphäre der frühen Jahre als „lebendig und experimentierfreudig“. Für sie und viele andere war die „Rote Eule“ ein Ort, an dem Freiheit und Kreativität im Zentrum standen. „Die Kinder durften die Wände anmalen, die Räume gestalten – es war ein Raum des Wachsens und des Entfaltens“, erinnert sich Streiter.
Zukunft der Einrichtung und mögliche Alternativen
Derzeit wird über mögliche Alternativen zur Schließung diskutiert. Ein Vorschlag, das Gebäude umfassend zu sanieren oder gar neu zu bebauen, stieß auf Widerstand. Die Stadt Frankfurt hat jedoch betont, dass eine vollständige Sanierung des Gebäudes notwendig sei, um den heutigen Anforderungen gerecht zu werden. Auch der Träger BVZ ist bereit, während etwaiger Bauarbeiten eine Übergangslösung zu finden. Doch trotz dieser Gespräche scheint der Verlust der „Roten Eule“ für viele unvermeidlich.
Ein Stück Frankfurter Identität geht verloren
Für viele Eltern und Ehemalige ist die Schließung der „Roten Eule“ ein schmerzlicher Verlust. „Unsere Kinder haben enorm von der Roten Eule profitiert“, so Christiane Cuticchio, eine Mutter, die in den 1970er Jahren ihre Kinder dort betreute. „Die Schließung ist nicht nur ein Verlust für die Familien, sondern auch für die gesamte Stadtgesellschaft“, fügt sie hinzu. Die „Rote Eule“ war ein Ort des Austauschs, der Offenheit und der Beteiligung. Ihr Ende markiert das Aus einer Ära der antiautoritären Kindererziehung in Frankfurt.
Die Schließung der „Roten Eule“ wirft jedoch auch Fragen auf: Wie kann eine Stadt wie Frankfurt mit ihrem Bildungsangebot und ihrer Geschichte umgehen? Und vor allem, wie kann der Erhalt von Einrichtungen, die tief in der Stadtgeschichte verwurzelt sind, besser gesichert werden?
Die „Rote Eule“ ist mehr als nur eine Kita. Sie steht für eine Zeit der Veränderung, für alternative Erziehungsansätze und für die Mitbestimmung von Eltern und Pädagogen. Ihre Schließung ist ein Verlust, der weit über den Stadtteil Nordend hinausgeht. Eltern und Ehemalige werden weiterhin für den Erhalt der „Roten Eule“ kämpfen, auch wenn der Ausgang noch offen ist.