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Weltpremiere an der Uniklinik Jena: Wie Janet Piegsa wieder laufen kann

by Frankfurter Handelsblatt
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Weltpremiere an der Uniklinik Jena: Wie Janet Piegsa wieder laufen kann

Experten des Universitätsklinikums Jena (UKJ) haben weltweit erstmals eine entzündliche Erkrankung des Kniegelenks, bekannt als Arthritis, bei einer Patientin mit Dickdarmkrebs erfolgreich behandelt. Dies geschah durch ein innovatives Verfahren, das als „transarterielle periartikuläre Embolisation“, kurz TAPE, bezeichnet wird. Dieses minimalinvasive Verfahren unterbricht gezielt die Blutzufuhr zu entzündeten Gefäßen im Gelenk und verringert so die Entzündung und die damit verbundenen Schmerzen. Bei der 48-jährigen Janet Piegsa, die aufgrund einer Immuntherapie gegen ihren Dickdarmkrebs schwere Arthritis im linken Knie entwickelte und auf einen Rollstuhl angewiesen war, hat diese Behandlung erstaunliche Ergebnisse erzielt. Nun kann sie wieder eigenständig laufen.

Arthritis als Folge der Immuntherapie

Janet Piegsa wurde 2013 mit Dickdarmkrebs diagnostiziert. Nach mehreren chirurgischen Eingriffen und Chemotherapien trat der Krebs zunächst in den Hintergrund, doch immer wieder bildeten sich Metastasen. Im Rahmen einer neuartigen Immuntherapie begann sie eine Behandlung, die darauf abzielte, ihr Immunsystem dazu zu bringen, die Krebszellen erneut zu erkennen und zu bekämpfen. Die Therapie basierte auf sogenannten Immun-Checkpoint-Inhibitoren. Diese Medikamente lösen gewissermaßen die „Handbremse“ des Immunsystems, sodass der Körper gegen die Tumorzellen vorgeht.

Allerdings brachte die Therapie unerwünschte Nebenwirkungen mit sich. In Janets Fall löste sie eine starke Autoimmunreaktion aus, die in einer schweren Arthritis im linken Knie gipfelte. Solche Nebenwirkungen sind zwar selten, betreffen aber etwa zehn Prozent der Patienten, wie Onkologe Dr. Thomas Stauch erklärt.

Die Suche nach einer Lösung: TAPE-Verfahren

Janet Piegsa litt stark unter den Schmerzen und der eingeschränkten Mobilität, die die Arthritis mit sich brachte. Die herkömmlichen Behandlungsmöglichkeiten wie entzündungshemmende Medikamente oder nuklearmedizinische Verfahren brachten keine Linderung oder konnten aufgrund der Immuntherapie nicht angewendet werden. In dieser schwierigen Lage entschloss sich ein interdisziplinäres Team des Universitätsklinikums Jena, eine neuartige Therapie in Betracht zu ziehen: das Verfahren der transarteriellen periartikulären Embolisation (TAPE).

Das TAPE-Verfahren wurde bisher hauptsächlich bei Arthrose eingesetzt, einer Gelenkerkrankung, die durch Verschleiß verursacht wird. Es wurde jedoch bislang noch nicht für Arthritis-Patienten wie Janet Piegsa verwendet. Professor Alexander Pfeil, Leiter des Rheumazentrums am UKJ, erläutert die Entscheidung: „Wir hatten keine alternativen Therapien und wussten, dass dieses Verfahren helfen könnte. Es war ein mutiger Schritt, aber wir konnten nur gewinnen.“

Das TAPE-Verfahren: Ein gezielter Eingriff

Das TAPE-Verfahren ist minimalinvasiv und sehr präzise. Ein Mikrokatheter, der weniger als einen Millimeter dick ist, wird über die Leiste der Patientin eingeführt und unter Röntgenkontrolle direkt zu den entzündeten Stellen im Gelenk geführt. Dort wird die Blutzufuhr kurzzeitig unterbrochen. Gleichzeitig wird ein Antibiotikum in die kleineren Gefäße im entzündeten Gewebe abgegeben, was eine viel stärkere Wirkung hat, als es bei der Einnahme von Tabletten oder Infusionen der Fall wäre.

Professor Ulf Teichgräber, Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am UKJ, erklärt die Methode: „Wir unterbrechen die Blutzufuhr für kurze Zeit und bringen das Medikament direkt in das betroffene Gewebe. Dadurch können wir eine viel gezieltere Wirkung erzielen.“

Bereits zwei Tage nach dem Eingriff konnte Janet Piegsa ohne Hilfsmittel wieder laufen. „Ich bin den Ärzten unendlich dankbar, dass sie mich nicht aufgegeben haben“, sagt sie. „Dank der Behandlung habe ich meine Lebensqualität zurückgewonnen.“

Neue Perspektiven für die Rheumabehandlung

Das TAPE-Verfahren eröffnet neue Möglichkeiten, insbesondere für Patienten mit rheumatischen Erkrankungen, bei denen klassische Therapien nicht mehr wirksam sind. Das Verfahren könnte zukünftig eine wichtige Rolle in der Behandlung von Arthritis und anderen entzündlichen Gelenkerkrankungen spielen. Professor Pfeil sieht das Verfahren als großen Fortschritt: „Es bietet neue Optionen, vor allem für Patienten, bei denen herkömmliche Behandlungen keine ausreichende Linderung bringen.“

Das Verfahren könnte auch für Menschen mit anderen rheumatischen Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis oder Psoriasis-Arthritis von Bedeutung sein. Die Behandlung könnte eine wertvolle Ergänzung zu bestehenden Therapieoptionen darstellen.

Eine bahnbrechende Behandlungsmöglichkeit

Die erfolgreiche Behandlung von Janet Piegsa ist ein bedeutender Fortschritt in der Medizin. Das TAPE-Verfahren könnte vielen Patienten mit Rheuma und Arthritis helfen, deren Erkrankungen mit herkömmlichen Methoden nicht mehr zu kontrollieren sind. Es zeigt, wie innovative medizinische Ansätze das Leben von Patienten verbessern können. Für Janet Piegsa bedeutet es vor allem eines: Sie kann wieder gehen. Und das ist mehr wert als alles andere.

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